Freitag, 29. November 2024

Ein Stolperstein nach dem anderen


Nach einem aufregenden Hanoi machten wir uns voller Vorfreude auf in Richtung Norden. Dieser liess jedoch zu wünschen übrig und zwang uns zu einer (missglückten) Flucht nach vorn.

Alles begann am Bahnhof in Hanoi. Eigentlich mit einem Ticket für den Nachtzug von Hanoi nach Sapa bewaffnet, sagte man uns am Bahnhof, dass der Zug nur bis Lao Cai fahre und man dann von dort noch einen Bus nehmen müsse. Leider konnte uns niemand genauere Informationen geben, was auch an den sehr sehr schlechten Englischkenntnissen lag. So bestiegen wir den Zug mit einem leicht mulmigen Gefühl, welches durch die Sauberkeit und Aufmachung des Innern des Zuges wieder etwas beschwichtigt wurde. Das Viererabteil teilten wir uns mit einem französischen Ehepaar, mit welchem wir uns von Beginn weg verstanden. Auch wenn die Rahmenbedingungen also durchaus gut waren, kamen wir mit maximal zwei Stunden Schlaf im Petto in Lao Cai an.





Unter Druck

Da wir meinten, dass der Zug direkt bis Sapa fährt, mussten wir uns bei der Station Lao Cai erstmals umorientieren und einen Shuttle in das eine Stunde entfernte Sapa organisieren. Und das kommt einem Jahrmarkt gleich: Sogleich beim Aussteigen aus dem Zug rücken einem verschiedene Taxifahrer auf die Pelle und versuchen, einem eine Fahrt nach Sapa zu verkaufen. Dabei setzen sie einen erheblich unter Druck, um einen Entscheid zu erzwingen und ein gutes Geschäft zu machen. Glücklicherweise behielten wir einigermassen die Nerven. Auch trafen wir auf einen jungen Mann und dessen Vater aus Hong Kong, die ungefähr gleich verloren dastanden, wie wir. Gemeinsam konnten wir überlegen und uns dann auch die Fahrkosten teilen - auch wenn der Taxifahrer versuchte, dem Mann aus Hong Kong die Fahrt für mehr Geld zu verkaufen, als bei uns (wir standen direkt daneben).

Um 7:00 Uhr Sapa angekommen, freuten wir uns auf ein Frühstück im Hotel, bevor um 9:00 Uhr unsere zweitägige Tagestour durch die Reisfelder begann. Das Hotel hatte uns vorab versichert, dass am Morgen jemand da sein werde, um unser Gepäck entgegenzunehmen. Falsch gedacht: Als wir im Hotel ankamen, war weit und breit niemand. Wir konnten per Telefon, Whats App oder Booking niemanden erreichen und auch die Menschen im angrenzenden Kaffee konnten uns nicht helfen, da sie kein Wort Englisch konnten und behaupteten, nichts mit dem Hotel zu tun zu haben. Der Eingang für Hotel und Kaffee war jedoch derselbe und je länger wir dort waren, desto mehr bestätigte sich unsere Annahme, dass die beiden Dinge zusammengehörten. Als um 9 Uhr unser Guide kam, verhandelte dieser mit den Menschen vom Kaffee. Schlussendlich konnten wir unsere Taschen im Kaffee deponieren - mit dem Gefühl, diese nie mehr wiederzusehen.

Mit leichtem Gepäck auf dem Weg durch die grüne Landschaft rund um Sapa, erfreuten wir uns daran, dass wir einen Guide ganz für uns alleine hatten. Dies, weil aktuell noch nicht so viele Touristen in Sapa sind. Der Guide erzählte uns einiges über die indigenen Gruppen in Sapa und lenkte uns gekonnt durchs Dickicht. 



Nach einer Stunde gesellten sich zwei ältere Frauen mit Tragkorb zu uns. Ricarda und ich fragten uns zwischenzeitlich, warum diese mit uns mitliefen, hinterfragten das Ganze jedoch nicht genauer. Als wir uns zum Mittagessen in einem lokalen Restaurant niederliessen, wurde die Absicht der Damen aber schlagartig klar: Kaum sassen wir am Tisch, packten sie handgestrickte Materialien aus, und versuchten, uns etwas zu verkaufen. Aussagen wie, man habe ja die teure Tour gebucht und somit habe man auch Geld für so etwas, gehörten zur Verkaufsstrategie dazu. Sichtlich beleidigt, dass wir nichts bei ihnen kauften, zottelten die beiden Damen von Dannen - nicht ohne auf Vietnamesisch über uns zu fluchen. Das Mittagessen war zwar gut, hatte aber dementsprechend einen faden Beigeschmack, der sich in den Nachmittag zog. Wir besuchten kleinere Dörfer in der Umgebung und hatten immer mehr das Gefühl, ein Teil eines Schaulaufens zu sein. Es gab enorm viele Touristen und man kam sich vor, als wäre man in einer extra für uns aufgebauten Welt. Waren das wirklich authentische Interaktionen oder war alles Gesehene nur gestellt? Wir wussten es nicht und irgendwann schlich sich bei uns beiden ein ungutes Gefühl ein, sodass wir die Tour vorzeitig abbrachen und ohne Übernachtung nach Sapa zurückkehrten.




Flucht nach vorn, oder so

Zurück in Sapa machten wir uns auf die Suche nach unserem Gepäck. Die Korrespondenz mit dem Hotel war extrem mühsam und es ging lange, bis jemand von irgendwo her mit dem Motorrad auftauchte und uns zu unserem Gepäck (juhui, es war noch da) und zu unserem Zimmer brachte. Nach einem wohltuenden Nickerchen machten wir uns auf in die Stadt und versuchten, unsere Weiterreise zu organisieren. Ein schwieriges Unterfangen…





Ich hatte im Internet gelesen, dass es nebst dem Nachtbus auch die Möglichkeit gab, am Tag an die Grenze zu fahren. Wo wir aber auch fragten, niemand wusste, wann und wo ein Bus am Tag zur Grenze fährt. Gleichzeitig standen wir auch vor der Situation, dass niemand auch nur ein Wort Englisch konnte. Auch nicht die Menschen an den Receptions von Hotels oder in Positionen mit viel Touristenkontakt… Auch hatten wir abe Moment 1 in Sapa das Gefühl, dass wir für die Einheimischen reine Geldschleudern waren und dass sich aber eigentlich niemand wirklich für uns interessierte. Im Sog der Unfreundlichkeit mussten wir uns irgendwann eingestehen, dass wir nach einer weiteren Nacht in Sapa wohl oder übel den Nachtbus nehmen müssen. Immerhin fanden wir in einem der luxuriösesten Hotels in Sapa ein junger Mann, der etwas Englisch konnte und uns zumindest etwas weiterhelfen konnte. Und so buchten wir den Nachtbus für den nächsten Tag …  und dieser ist nichts für schwache Nerven.

Als der Bus nach 1.5h Verspätung eintraf, waren fast alle Plätze schon besetzt. Die “normalen“ Schlafplätze - also Liegestuhl ähnliche Liegen - waren rein für die Vietnamesen reserviert, während die Touristen hinten im Bus nebeneinander liegend auf zwei Plattformen (1 Männer, 1 Frauen) liegen mussten. Positiv gesagt, wir lernten die Schweizerin, die wir im Warteraum trafen, sehr schnell sehr viel besser kennen. Und auch die beiden Schwedinnen waren ab der Lage so überfordert, dass sie nur noch lachen konnten (wir übrigens auch). Bei einer Vollbremse wären wir im Kollektiv durch den ganzen Bus geschlittert. In den acht Stunden Fahrt war Schlaf somit also eher rar.







In der Grenzstadt Dien Bien Phu angekommen, waren wir sehr müde aber erstmal guten Mutes. Sogleich wurden wir in einen Bus umgesiedelt, der über die Grenze nach Laos fuhr. Hier wussten wir im Voraus nicht, wie einfach es sein würde, denn Bus für über die Grenze zu finden. Der ohne Pause rauchende Busfahrer fuhr mit uns zu einem Hostel, wo wir weitere Passagiere aufgabelten, und dann von dort weiter zur Grenze.


Und hier wartete das nächste Problem: Da Ricarda, um ein nötiges Visum zu umgehen, mit zwei Pässen reiste, wollte sie mit dem italienischen Pass in Vietnam ausreisen, und mit dem schweizer Pass in Laos einreisen. Die Behörden gewährten ihr jedoch die Ausreise nicht, da dieser Prozess nur mit ein und demselben Pass funktioniert - eine Information, die es übrigens im Internet nicht zu finden gibt. Da ich vor Ricarda in der Schlange stand, hatte ich den Ausreisestempel jedoch schon erhalten. Das heisst: Ich musste weiterreisen und Ricarda konnte nicht. Somit setzte ich mich in den Bus in Richtung Muang Khua, während Ricarda in ein Hostel ging, um sich ein Visum zu besorgen.

Die Fahrt nach Muang Khua konnte ich nur einigermassen geniessen. Auch war der Busfahrer ein ziemlich schräger Typ und vermittelte eher nicht den vertrauensvollen Eindruck. Unterwegs hielten wir immer wieder in kleinen Dörfern an un luden Ware ein oder aus. Um ca. 12:00 Uhr kamen wir dann im Muang Khua an. Von dort wollte ich eigentlich direkt in einen Bus in Richtung Nong Khiaw steigen. Obwohl im Internet stand, dass es einen solchen geben würde, fanden der junge Mann aus den Philippinen, der ebenfalls weiterreisen wollte, und ich keine Spur eines Busses. Somit mussten wir umdisponieren und entschieden uns gezwungenermassen, eine Nacht in Muang Khua zu bleiben. Die Schweizerin und ihr Freund blieben ebenfalls (aber so gewollt) in Muang Khua und so bildeten wir ein kleines Grüppchen für eine kleine Erkundigungstour und das Nachtessen.


Als der Schock und der Ärger etwas verflogen war, konnte ich das Dörfchen Muang Khua eigentlich noch geniessen. Es ist ein sehr kleiner Ort, der vor allem dazu da ist, dass Touristen vor oder nach der Grenzüberquerung hier eine Nacht verbringen. Da der Grenzübergang im Norden jedoch nicht so gängig ist, ist die Anzahl Touristen überschaubar. Auch sprechen sehr viele Menschen zumindest gebrochen Englisch. Eine Überraschung nachdem im sehr touristischen Sapa, in dem praktisch niemand Englisch sprach.











Eine Bemerkung am Rande: Am Nachmittag war das Tourismusbüro geöffnet und da musste ich aus Neugier über die Bussituation nachfragen gehen, Folgendes: Wenn man von Dien Bien direkt nach Nong Khiaw oder noch weiter in den Süden reisen will, muss man den Bus nach Muang Xay (auch Oudomsay) nehmen. Nimmt man wie ich den Bus nach Muang Khua, so erreicht man das Dorf um ca. 12:00 Uhr. Am Morgen fährt ein Bus von Muang Khua nach Nong Khiaw, nicht aber am Nachmittag. Wobei der Mann im Touribüro verlauten liess, dass es eigentlich einen Bus gäbe, aber niemand genau wisse, ob und wann dieser am Nachmittag fahre… Will man also direkt weiterreisen, fährt man nach Muang Xay. Von dort kann man mit Bus oder Zug weiter in den Süden reisen. Eine Information, die ich im Voraus nirgends online gefunden habe…

Ich reise morgen mit dem Boot über den Nam Ou Fluss nach Nong Khiaw weiter, wo Rici dann hoffentlich und wenn alles klappt am 30. November eintrifft. Ricarda wird mit einem Bus direkt bis Muang Xay fahren und dann von dort weiterreisen. Bis dahin sind wir hoffentlich beide etwas erholt: Drei Nächte wovon zwei Mal nur zwei Stunden geschlafen … wir sind ziemlich k.o.

2 Kommentare:

  1. Dein Bericht liest sich wie ein Krimi! Die spannenden Schilderungen zeigen auf, dass Reisen mit viel Schwierigkeiten verbunden sein kann und Improvisation notwendig ist. Früher war dies wohl normal. Dass Kommunikation in Englisch schwierig ist überrascht mich weniger. Ich hätte aber erwartet, dass es aufgrund der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich möglich wäre, sich teilweise auf Französich zu unterhalten. Aber offensichtlich sind dies tempi passati.
    Ich freue mich schon jetzt auf die Fortsetzung des Blog und hoffe, dass die Reunion mit Rici wie geplant stattfindet!

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    1. Ein Abenteuer, definitiv! Dass nicht viel Englisch gesprochen wird, dachten wir uns. Wir gingen aber davon aus, dass in einem so touristischen Ort wie Sapa zumindest diejenigen mit Touristenkontakt (Hotels, Reisebüros, etc.) zumindest Basisenglisch können. Informationen zur Weiterreise gab es nirgends, auch nicht in schriftlicher Form wie Schilder etc.

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