Donnerstag, 30. Dezember 2021

Weihnachten in Mexiko

Nachdem ich vor knapp zwei Jahren aufgrund der Corona-Pandemie mein Auslandsemester abbrechen und mehr oder weniger fluchtartig in die Schweiz zurückkehren musste, wurde mir bewusst, dass ich dabei einen Teil meines Herzens in Mexiko vergessen respektive verloren hatte. Umso erfreuter war ich, als sich mir die Möglichkeit bot, über Weihnachten und Neujahr in das Land meiner Kindheitsträume zurückzukehren! Die erste von drei Mexiko-Wochen war dabei bereits ein Erlebnis für sich, wobei das Küssen einer Puppe nur eines von vielen war.

Als ich am 22. Dezember in Mexiko-Stadt ankam, erwartete mich meine Kollegin Fernanda bereits mit voller Vorfreude. Durchaus müde vom 12-stündigen Flug aber überglücklich und zufrieden, freute ich mich, mit Fernanda meine Ferien auf mexikanische Art und Weise zu starten: nämlich mit ein paar Tacos al Pastor (typische Tacos aus Mexiko-Stadt). 

Am kommenden Tag ging es kulinarisch bereits mit Neuigkeiten weiter: beim gemeinsamen Frühstück mit Fernanda und Katia (beide kenne ich vom Turnen während meines Auslandsemesters) gab es für mich Molletes. Das sind kleine Brötchen, die - in meinem Fall - mit Bohnen belegt und dann mit Käse überbacken wurden. 


Für schweizer Verhältnisse also ein "deftiges Zmorge". Diese Stärkung hatte ich jedoch nötig, reiste ich doch noch am selben Tag mit dem Bus sechs Stunden in den Norden, wo ich Weihnachten mit Raúl (mein Auslandsemester-Götti) und seiner Familie verbrachte. 

Acostadas, Tamales und Pozole

Auch wenn der Bus eine Stunde zu spät losfuhr und zwei Stunden zu spät ankam, so war ich doch überglücklich, Raúl wiederzusehen. Seine Familie (Onkels, Cousins, Tanten, Brüder, etc.) erwarteten mich mit grosser Neugier und löcherten mich die kommenden Tage mit Fragen über die Schweiz, ihre Traditionen, ihr Geld und ihre Sprache - das Löchern war übrigens gegenseitig ;). 


Der 24. Dezember wird in El Carretón (das Dorf wo wir waren) so gefeiert, dass den ganzen Tag über sogenannte Acostadas (dt. 'Hinlegitis', resp. 'etw. hinlegen') gemacht werden. Dabei geht es darum, dass im gesamten Dorf ca. vier Gesangsgruppen (Estudiantinas) von Haus zu Haus gehen und singen, während die Hausherren das Christuskind (meist in Form einer Puppe) in die Krippe legen. Grundsätzlich sind die Acostadas öffentlich, und es ist Brauch, dass nach der Prozedur alle Gäste mit Essen beschenkt werden (Süssigkeitensäckli, Äpfel, etc.). Da jedes Haus im Dorf grundsätzlich eine Acostada macht, ist es logisch, dass gewisse Familien erst spät am Abend ihre Tradition vollziehen können. Im Falle von Raúls Familie bedeutet dies, dass die Acostada um 00:00 stattfindet, was heisst, dass der 24. Dezember ein langer Tag ist. Am Morgen des 24. Dezembers durfte ich der Familie dabei helfen, Tamales zu machen. Das ist eine Masse aus Mais und Butter, die auf ein Bananen- oder Maisblatt (je nach Region und Land) gestrichen, dann mit Käse, Fleisch und/oder Sauce belegt und dann zusammengerollt und mehrere Stunden gedämpft werden. Ein Gericht, dass bereits vor der Eroberung Spaniens oft zubereitet wurde. 



Am Nachmittag ging es dann mit Raúl und seinen Brüdern und Cousins ins Dorf, wo wir eine ehemalige Mezcal-Fabrik besuchten. Zwischen 15:00 und 19:00 gab es eine Siesta, wonach dann langsam die Vorbereitungen für die Acostada begann. Als um Mitternacht das halbe Dorf auf dem Vorplatzes des Hauses stand, begann die Prozedur: Vom Gesang begleitet wurde das Christkind zuerst in einem Tuch gewiegt, und dann von Besucher zu Besucher gereicht, wobei jeder dem Kind einen Kuss auf die Stirn gab, oder sich vor ihm verneigte. Danach wurde das Christkind in die Krippe gelegt und dann die Süssigkeiten an die Besucher verteilt. 



Um ein Uhr morgens gab es dann (endlich) "Abendessen". Dabei durfte ich mit Pozole ein weiteres traditionelles und präkolumbisches Gericht probieren. So scharf habe ich noch nie gegessen... 

Guanajuato

Am Tag nach Weihnachten wurde zuerst genüsslich ausgeschlafen, bevor es in das zwei Autostunden entfernte Guanajuato ging. Guanajuato ist eine Stadt im gleichnamigen Bundesstaat Guanajuato und ist vor allem für seine Silberminen berühmt. Es war eine der ersten Städte, die von den Spaniern in den 1520 Jahren kolonialisiert wurde und war Teil des Vizekönigreichs Neuspanien. Die Stadt ist zudem geprägt durch eine koloniale Architektur, gemischt mit der mexikanischen Lebensfreude. Spannend an Guanajuato ist dabei auch, dass die Stadt über ein ausgeklügeltes Tunnelsystem verfügt, wodurch praktisch der ganze Verkehr unterirdisch verläuft. Stau gibt es übrigens trotzdem.




Zum Mittagessen durfte ich erneut ein typisches Gericht ausprobieren: Chile en Nogada. Der gefüllte Chile übergossen mit einer speziellen Sauce aus Nüssen und Gewürzen, wird zwar normalerweise im September gegessen, schmeckt aber auch im Dezember köstlich.

Dolores und San Miguel de Allende

Am 26. Dezember ging die Reise für mich bereits weiter. Zusammen mit Raúl und seiner Familie (resp. Brüder und Eltern) fuhr ich nach Dolores. Dolores liegt auf dem Weg zurück in die Hauptstadt, ist berühmt für seine Keramik und gilt zudem als Ort der Geburtsstunde der Mexikanischen Revolution. Gerne hätte ich den gesammten Keramikladen gekauft, beliess es dann aber mit ein paar ausgewählten Arterfakten.


Von Dolores ging es noch 40 Minuten weiter nach San Miguel de Allende, wo mich Raúls Familie ablud, da sie gleich nach Mexiko-Stadt zurückfuhren. Auf mich alleine gestellt, erkundigte ich also das kleine Städtchen, dass mich von A bis Z entzückte. Die extrem farbigen Häuser und kleinen Gassen machten den Charme dieses Städtchens aus, wobei der Handwerkermarkt meine Wiederstandskraft erneut auf die Probe stellte. 


Die Farben zogen mich magisch an - genauso wie auch San Miguel Allende als Pueblo Mágico (magisches Dorf) gilt. Die Stadt ist zu Ehren des Generals Ignacio Allende benannt, der aus dieser Stadt stammt und eine wichtige Rolle im mexikanischen Unabhängigkeitskrieg und somit im Kampf gegen die Spanier spielte.









San Luís Potosí und Santa María del Río

Nachdem mich San Miguel de Allende begeistert hat, war das Eintreffen in San Luís Potosí beinahe eine Ernüchterung. Die Stadt ist kolonialistisch geprägt und weist durchaus seine schönen Seiten auf, kann jedoch in keinster Weise mit San Miguel de Allende mithalten. Für zukünftige Reisen nehme ich mir also vor, zuerst San Luís Potosí und dann San Miguel Allende zu besuchen.


Nichts desto trotz versuchte ich, das Beste aus der Ernüchterung zu machen, was mir die Stadt aber durchaus schwer machte. Einerseits waren die meisten Museen ohne Begründung geschlossen, wobei ich immerhin das Maskenmuseum besuchen konnte. 


Dabei konnte ich verschiedene Masken bewundern, die die indigenen Einwohner Mexikos vor hunderten von Jahren für Zeremonien brauchten, wobei auch ein Exkurs zu europäischen, asiatischen und afrikanischen Masken gemacht wurde. Andererseits war es fast unmöglich, eine 1-Tages-Tour zu organisieren. Das Tourismusbüro war die Hälfte des Tages zu, und als es dann endlich offen war, konnte dei Señora am Schalter mir auch nicht mehr helfen, als mir 10 Flyers in die Hand zu drücken. Die Büros, die laut Flyer jeweils Touren anboten, waren dabei zu 90% weder telefonisch noch physisch erreichbar, wobei diejenigen, die tatsächlich verfügbar waren (jupi) ihre Touren erst ab zwei oder drei Personen anboten. Als ich schon fast aufgegeben hatte, traf ich im Zentrum aber auf einen Tourguide, der mir eine Señora vermittelte, die mir eine Tour für mich alleine am nächsten Tag anbot. Geschaffen aber zufrieden, gönnte ich mir in einem typischen Lokal der Stadt (den Blicken zufolge war ich wohl die erste nicht-Mexikanerin überhaupt in diesem Restaurant) Enchiladas Potosínas, ein typisches Gericht aus der Region.


Am Tag darauf ging es für mich und meine Tourführerin (und deren Mutter) nach Santa María del Río. Das kleine Städtchen liegt ca. 40 Fahrminuten von San Luís Potosí entfernt und ist berühmt für seine Webarbeiten. In einem Museum wurde mir von einem dort arbeitenden Señor jeder einzelne Schritt der durchaus komplizierten Arbeit erklärt. Für einen Schal braucht man dabei zwischen einer Woche und einem Monat, je nachdem, wie aufwändig das Muster ist.



 



Adiós Norden und hola Sueden

Neujahr naht und für mich heisst das, Abschied nehmen vom Norden Mexikos und ab in den Süden. Zuerst nach Huatulco und dann für Neujahr nach Tehuantepec. Ich freue mich schon... ¡Hasta luego!



 

2 Kommentare:

  1. Traditionelle mexikanische Weihnachten - sehr eindrücklich ... und Essen erst nach Mitternacht :-)
    Deine festgehaltenen Einblicke in das mexikanische Leben, die schönen Städte mit den farbigen Häusern, den Innenhöfen und den vielen Pflanzen versprühen so viel Charme, man möchte sofort losfliegen um es persönlich zu erleben!

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  2. Die Farben und immer wieder einmal das Meer verleiten nach Wärme und Gemütlichkeit. Auch wenn es hier im Moment fast etwas warm ist, braucht es dazu ein Fondue oder sonstiges wie ein Chemineefeuer. Wünsche noch eindrückliche gemütliche restliche Tage,

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