Sie denkt an Baklava, Pistazien und Sesamkrokant. Gerüche, die sie an
ihre Kindheit in Van, ein kleines Dorf anderthalbtausend Kilometer von Istanbul
entfernt, erinnert. Eine Kindheit, in der die Leichtigkeit nie Platz gefunden
hatte und sowohl Mutter als auch die Tante nie wirklich diejenigen waren, die
sie zu sein schienen. Sie denkt an den Geruch von schwarzem Kardamonkaffee, den
Tequila Leila für «alle Zeiten mit der Straße der Bordelle verband». Von zu
Hause abgehauen, alleine und ohne Geld in Istanbul. Von einem Mann hinters
Licht geführt und dann als Sexarbeiterin verkauft. Nach fünf Minuten, der
Geruch von Schwefelsäure, der Leila daran erinnert, dass ein verrückter Freier
sie damals im Bordell mit dieser ätzenden Säure übergoss. Für immer gezeichnet
und gerade deswegen attraktiver und interessanter für Bordellbesucher. Nach neun
Minuten, Pralinen. «Pralinen mit verschiedenen Füllungen - Karamell, Kirsche,
Nougat…». Die Erinnerung an D/Ali, den Studenten und Revolutionär, der Tequila
Leila trotz ihres Berufes stets mit anderen Augen sah. Der Mann, den Leila
heiratete. Die letzten acht Sekunden. Single Malt Whiskey - das letzte, was
Leila in ihrem Leben zu sich nehmen würde.
Die fünf Freunde
Das andere Istanbul
In «Unerhörte Stimmen» machtElif Shafak auf das andere Istanbul aufmerksam. «Da war das hochherrschaftliche
und das proletarische Istanbul, das weltoffene und das provinzielle, das
kosmopolitische und das spießbürgerliche, das dekadente und das fromme […]. Und
nicht zuletzt das Istanbul derer, die vor langer Zeit zu neuen Ufern
aufgebrochen waren.» Auf humorvolle, stilistisch selbstsichere und
nachdenkliche Art und Weise beschreibt das Buch in drei Teilen (Geist, Körper,
Seele), wie die Welt auch gesehen werden kann. Es bringt den Leser dazu, sich
selbst zu reflektieren, sowie die Denkweise einer Gesellschaft zu hinterfragen.
Manchmal trügt der Schein und manchmal bringt bereits ein kleiner Gedanke die
Unterteilung in «die unerwünschten, die unwürdigen und die unbekannten» ins
Wanken.
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