Freitag, 7. Februar 2020

Chrüsimüsi Mexiko

Ach herrje. Manchmal wünschte ich mir, mein Alltag hier wäre etwas weniger nervenaufreibend. Seit meinem letzten Blog ist wieder so viel vorgefallen und ich musste feststellen, dass ich wohl etwas zu schweizerisch ("demasiada suiza") bin, um mich so schnell an dieses Land zu gewöhnen, wie ich das gerne hätte.


All jene, die mich etwas besser kennen, wissen, wie ich funktioniere. Ich glaube, wenn man mein Gehirn visualisieren müsste, dann könnte man die Hauptbibliothek der Universität Basel zeichnen. Es gibt Stockwerke die alle nach Thema geordnet sind und die Bücher in den Regalen sind natürlich schön von A bis Z sortiert. So stelle ich mir mein Gehirn vor. Ein Registerauszug in dem alles seine Ordnung hat. Auch wenn ich mich darin übe, so bin ich noch nicht so gut darin, keinen Plan zu haben. Und das ist es, was mir hier in Mexiko gerade sehr schaffen macht. 

Endlich Uni...oder doch nicht?


Letzte Woche bin ich durch die halbe Stadt gerannt, um mir einen Plan B zurechtzulegen und zu verhindern, dass ich das gesamte Semester damit verbringe, auf ein Ende des Streiks zu warten. Der Streik meiner Fakultät startete im November und war ursprünglich für ein paar Tage geplant. Mittlerweile besteht dieser noch immer und es sieht nicht nach einem baldigen Ende aus. Im Gegenteil: Es sind nun auch die Fakultäten der Politikwissenschaften sowie die des Designs im Streik, was die Streikenden natürlich im Allgemeinen beflügelt. Nun. Am Dienstag startete ich meinen ersten Tag in der FES, der ausgelagerten Fakultät meiner Uni rund 1.5 Stunden von meinem Zuhause entfernt. Am Morgen wurde mir erneut bewusst, wie einfach die Studiumsanmeldung sowie das Belegen von Vorlesungen an der Universiät Basel ist. Denn in der FES musste ich fünfmal zwischen zwei Büros hin- und herrennen. Dabei gaben sie mir die vierfache Ausgabe einer TAbelle, in der ich meine zu belegenden Vorlesungen notieren musste. Das Blatt musste ich dann von zwei verschiedenen Stellen unterschreiben lassen. Da der eine Chef gerade in seinem Kurs war, musste ich bis um 18Uhr warten (denn 15:00 bis 17:00 Uhr ist Mittagszeit und ich hatte noch Uni bis 18 Uhr), um mein Dokument abzuholen. Von den vier unterschriebenen Dokumenten durfte ich eines behalten, liess zwei bei den jeweiligen Büros und wollte am Donnerstag das letzte an einem Fenster ("ventanillas") abgeben, wo man die Einschreibung definitiv machen muss. Da dieses Fenster nur bis 18 Uhr offen hat, musste ich bis Donnerstag warten. An dieser Stelle eine kleine Anekdote zu meinem ersten Unitag. Um an den beiden Seminaren über Literatur teilzunehmen, musste ich je einer Facebook-Gruppe beitreten. Über diese Gruppe sollte ich alle Infos zu der auf die nächste Stunde zu lesenden Lektüre erhalten, sowie auch das PDF der Lektüre zum downloaden. Neben dem Fakt, dass es mir sehr komisch vorkommt, dass man Facebook haben muss um an dieser Fakultät studieren zu können (zum Glück habe ich das noch nicht gelöscht), so fand ich keine einzige Infos auf den jeweiligen Facebookseiten. Eine Kommilitonin sagte mir dann, dass man die Texte immer selber von irgendwoher holen und runterladen muss. Super....

Nun kam aber alles anders. Am Mittwoch Morgen um acht Uhr erhielt ich eine E-Mail von meiner eigentlichen Fakultät, dass am selben Mittwoch um 12 Uhr eine Zusammenkunft aller Auslandsstudenten stattfinden würde. Bei dieser informierte man uns, dass drei Professoren exklusiv für uns Auslandsstudenten drei verschiedene Seminare über Literatur abhalten würden. Wann, wo und für wie lange diese Seminare stattfinden würden, konnten sie uns nicht sagen. Die Stimmung war sehr chaotisch und jede Person, die ich nach Auskunft fragte, gab mir eine andere Antwort. Auf Zettelchen notierten sich die drei Professoren unsere E-Mail Adressen und sagten, sie würden uns dann kontaktieren. Für mich hiess das: Planänderung, 180 Grad in die andere Richtung und mich sofort von der ausgelagerten Fakultät abmelden. Nun warte ich gespannt auf irgendeine E-Mail der Professoren und hoffe wirklich, dass die ihre Notizzettelchen mit unseren E-Mail Adressen nicht verloren haben.

Der Streik hier an der UNAM bringt ich gehörig ins Schleudern. Ich muss jeden Tag damit rechnen, dass die Uni womöglich doch regulär beginnt und der Streik gelöst werden kann. Ich muss aber auch damit rechnen, dass sich bis im Juni nichts lösen wird und ich meine Kreditpunkte für die Fächer auf irgendeinem verkrümmten Weg (z.B. durch das Schreiben eines Aufsatzes im Home Office) erhalten werde. So gross mein Traum nach Mexiko zu gehen war, so gross ist gerade das Bedürfnis nach Organisation und Klarheit. Diejenigen vom internationalen Büro für Auslandsstudenten lassen uns mehr oder weniger im Dunkeln sitzen. Und alle Informationen die ich habe, habe ich deswegen, weil ich etwa fünfmal nachgefragt habe. Holpriger kann der Start in ein Auslandsemester wohl nicht sein. 


Auf den Spuren der Azteken


Nach all dem Aufregen über die Streiksituation, möchte ich euch noch etwas Schönes erzählen ;).

Am vergangenen Sonntag machte ich mich auf in das historische Zentrum von Mexiko-Stadt. Der Plaza de la Constitución (Platz der Verfassung) wird auch Zócalo genannt und stellt das ultimative Zentrum von Mexiko-Stadt dar. Der Platz ist riesig und sehr eindrucksvoill. Die Kathedrale auf dem Platz wurde von den Spaniern errichtet. Als die Spanier in Mexiko ankamen, handhabten sie es meistens so, dass sie die mächtigen Kulturhäuser der indigenen Bevölkerung zerstörten und ihre eigenen Kulturstätten darüber errichteten. Denn für sie war die spanische Kultur schliesslich höher und besser als diejenige der damals Einheimischen Bevölkerung.

Der Palacio Bellas Artes ist das wichtigste Kulturhaus Mexikos. Es befindet sich
ebenfalls im historischen Zentrum Mexiko-Stadts.




Auf dem Weg zum Templo Mayor kamen wir an einer Gruppe Menschen vorbei, die einen traditionellen mexikanischen Tanz aufführten. Das Konzept dabei konnte ich nicht ganz verstehen, aber scheinbar ist es so, dass die Tanzenden einen Kreis machen. Wenn sie sich nach Aussen bewegen nehmen sie Energie aus dem Kreis. Dann machen sie alle eine schnelle Bewegung nach Innen und deponieren so die gesamte Energie im Kreis. Mir hat vor allem der Kopfschmuck der Tanzenden gefallen. Kaufen konnte man diesen jedoch nicht - der Kopfschmuck ist vieeeeel zu teuer, nämlich mehrere tausend Franken pro Stück.






Wie bereits erwähnt machten wir uns danach auf zum Templo Mayor. Der Templo Mayor war der grösste und wichtigste Tempel der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán (das heutige Mexiko-Stadt). Der ursprüngliche Tempel war gespickt mit Schreinen für die Ehrung der Götter. Die Azteken müsst ihr wissen, opferten des Öfteren Menschen an ihre Götter. Für die Azteken war der Tod jedoch etwas Schönes und Ehrhaftes und sich für die Götter zu opfern war etwas Gutes. Die Spanier hatten während ihrer Eroberung den grössten Teil des Tempels (und zudem rund 600-800 Menschen getötet, die sich zu diesem Zeitpunkt gerade im Tempel zu einer Prozession versammelt hatten. Auch wenn man heute nur noch Überreste des einstigen Tempels begutachten kann, so spürt man an diesem Ort eine seltsame Energie. Ich würde den Tempel fast als Kraftort bezeichnen und fand es extrem spannend zu sehen, wie die Azteken möglicherweise gelebt haben könnten. Sie bauten weisse Steine in ihre Häuser ein und legten rund um den Tempel einen Wassergraben an. Wenn der Mond in der Nacht das Wasser erhellte, spiegelte sich sein Licht im Wasser, wurde dann von den weissen Steinen reflektiert und es gab Licht - erstaunlich.







Der Adler und die Schlange


Zum Schluss noch ein bisschen Geschichte bezüglich dem mexikanischen Wappen. In der Mitte des Wappens ist ein Adler zu sehen, der eine Schlange frisst. Dazu gibt es zwei Theorien. Die eine besagt, dass sich früher Nomaden nur dort niederliessen, wo sie einen Adler vorfanden, der gerade eine Schlange frass und dabei auf einem bestimmten Strauch sass. Die etwas simplere Version ist diejenige, dass der Adler Spanien und die Schlange Mexiko darstellt, was impliziert, dass die Spanier bei ihrem Eindringen in das Land die mexikanische Kultur zerstörten. Eine richtige Version gibt es nicht. Jeder nimmt diejenige, die ihm besser gefällt. Für mich persönlich ist es die Nomadengeschichte.

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